Charakterbeschreibungen – Kopfkino oder Wortsalat?
Es gibt verschiedene Methoden, die Autoren nutzen, um ihre Charaktere beschreiben, dennoch tun sie das immer auf die gleiche Weise. Mit einem Haufen Adjektive, die das Äußere der Figur beschreiben, aber beim Leser absolut nicht hängen bleiben. Weil es zu viele Informationen auf einmal sind, die alle in einem einzigen Absatz stecken, aber besonders weil der Autor kein Bild erzeugt hat, das vor den Augen der Leser entsteht. Dazu aber später mehr. Kommen wir erst mal zu den häufigsten Methoden, mit denen Charaktere beschrieben werden.
Spiegelszenen
Als Leser klappe ich jedes Buch zu, das mir am Anfang mit einer Spiegelszene um die Ecke kommt, um den Protagonisten zu beschreiben. Weil es immer das Gleiche ist: Der Held wacht auf, geht ins Bad, schaut in den Spiegel und dann geht es los:
Unter meinen blauen Augen liegen dunkle Schatten, meine blonden Haare …
Ganz davon abgesehen, dass kein Mensch so über sich selbst denkt (oder wie oft kreisen deine Gedanken um deine Haarfarbe?), vergesse ich diese Beschreibung, sobald ich eine Seite umblättere. Weil sie lieblos ist und absolut kein Bild hervorruft. Zumal ich auch nicht verstehe, weshalb es so wichtig ist, Charaktere äußerlich zu beschreiben. Ich habe Bücher gelesen, da wurde mit keinem Wort erwähnt, welche Augenfarbe der Protagonist hat, und ich habe mich daran nicht gestört, weil es eine andere Art der Beschreibung gab. Spiegelszenen funktionieren mit dem personalen Erzähler (dazu gehört auch der Ich-Erzähler) eben nicht. Weil Charaktere nicht so über sich denken. Deshalb bitte die Finger davon lassen, eure Protagonisten so zu beschreiben. Es gibt bessere Wege.
Der Vergleich
Ob nun mit der Mutter, der Schwester oder der besten Freundin, ist der Vergleich die zweitliebste Methode, um Charaktere äußerlich zu beschreiben. Zuerst fokussiert sich unsere Protagonistin auf den jeweiligen Charakter, der bei ihr ist. Jetzt folgt der erste Schwall Adjektive, um zu zeigen, wie diese Figur aussieht. Gleich danach der zweite, um sich als Heldin selbst zu beschreiben. Gleiches Problem wie bei der Spiegelszene. Dazu kommt noch, dass hier noch mehr Informationen genutzt werden, die noch weniger hängen bleiben. Außerdem lese ich bei dieser Variante oft, dass der Vergleichscharakter wunderschön ist, im Gegensatz zur Protagonistin, die sich hässlich findet. Und am Ende steht trotzdem jeder männliche Protagonist auf sie, denn jeder bis auf sie selbst sieht ihre wahre Schönheit. Das ist nicht nur ein Klischee, das ist auch anstrengend zu lesen. Bitte auch diese Variante nicht nutzen.
Durch die Augen eines anderen
Endlich eine Methode, die Sinn ergibt. Denn über einen Dialog mit einem anderen Charakter kann dieser unsere Heldin beschreiben. Aber bitte nicht mit dem üblichen Schwall Adjektive, das sich sowieso niemand merkt. Nutzen wir hier bitte Bilder, die sich dem Leser unter die Haut bohren.
»Deine Augen erinnern mich an einen stürmischen Herbsttag.«
Hier habe ich keine Farbe erwähnt, dennoch könnt ihr euch alle ein Bild machen. Ob es mit dem übereinstimmt, was durch meinen Kopf geistert, ist vollkommen egal. Ihr habt jetzt eine Vorstellung von den Augen unserer Protagonistin und damit kann ich arbeiten. Wenn ich später im Buch den Namen Sturmauge einführe, weiß jeder, woher das kommt. (Diesen Trick verwende ich auch gern beim Love Interest, wenn er der Protagonistin näher kommt, aber wirklich nur selten. Ständig zu wiederholen, woran seine Augen sie erinnern, wird irgendwann nervig.)
Handlung und Eigenheiten
Es ist viel einfacher, einen Menschen durch bestimmte Eigenarten und Ticks zu charakterisieren als durch sein Äußeres. Nehmen wir mal mich als Beispiel. Tausende Frauen haben kurze, mittelblonde Haare und grau-grüne Mandelaugen. Selbst mein leicht gebräunter Teint hebt mich nicht aus der Masse ab. Und niemand hat ein Bild vor sich.
Würdet ihr meinen Mann fragen, wie er mich beschreibt, würde er sagen: eine Frau, die ständig alles besser wissen muss, Gespräche mit dem Hund führt und zu viel Geld für Bücher ausgibt.
Damit hättet ihr schon mal mehrere wichtige Eigenschaften von mir zusammen. Ich bin eine Klugscheißerin, ich liebe meinen Hund und rede mit ihm (um mich nicht einsam zu fühlen) und ich lese gern, habe viele Bücher und gebe oft zu viel Geld dafür aus.
Wäre ich ein Buchcharakter, könnte mich ein Autor gut in einer Szene beschreiben, in der ich mit meinem Hund spazieren gehe. Oder in der ich durch eine Buchhandlung streife. Oder mit einer anderen Person eine Diskussion führe und ihr dann unter die Nase reibe, dass ich recht hatte (oder ganz schnell die Klappe halte, wenn ich doch falschlag). Es gibt so viele Möglichkeiten, den Lesern zu zeigen, wer eure Charaktere sind, statt es ihnen zu erzählen.
Denkt mal an ein Buch zurück, bei dem euch einer der Charaktere nachhaltig beeindruckt hat. Wie sah dieser Charakter aus? Wisst ihr nicht mehr? Aber ihr könnt mir genau sagen, weshalb euch dieser Charakter so beeindruckt hat. Und das lag sicher nicht an seinen sturmgrauen Augen. Es ist viel besser, beim Leser Kopfkino zu erzeugen, ihm Bilder an die Hand zu geben, die er so schnell nicht vergessen wird und zu zeigen, wer die Charaktere sind, als ihnen in einem Absatz geballt zu erklären, wie eure Protagonistin aussieht, und damit einen Wortsalat zu erzeugen, den der Leser nur schwer verdaut.
Jetzt seid ihr dran: Habt ihr in euren Manuskripten einen Wortsalat? Dann husch! Ran an die Tasten und macht darauf Kopfkino, das beim Leser hängen bleibt. Sie werden es euch danken.
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